Fesselnd geschrieben, brillant recherchiert: ein rasanter Thriller vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele 1936 in Berlin.
Berlin, 1936. Zu den Olympischen Spielen zeigt sich die Reichshauptstadt glamourös und weltoffen. Um den guten Eindruck bei Gästen und Reportern aus aller Welt zu bewahren, muss sich Hermann Schmidt vom Propagandaministerium mit hasserfüllten Schlägern und einer Widerstandsgruppe auseinandersetzen, die regimefeindliche Plakate aufhängt. Sein Leben gerät vollends aus der Bahn, als er sich in die Kunststudentin Anna Kollmann verliebt, die zu den Umstürzlern gehört. Unterdessen gerät auch der Zeppelin-Steward Georg Finkbeiner zwischen die Fronten und deckt ein schreckliches Geheimnis auf: Hinter der Fahrt der Hindenburg zur Eröffnungsfeier der Spiele steckt weit mehr als reine Propaganda. Ein perfider Plan jenseits aller Vorstellungskraft, dazu ersonnen, die Welt zu erschüttern.
DAS INTERVIEW
«Aktion Phoenix» ist ein Roman über einen fiktiven Anschlagplan auf die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Wie entstand die Idee, die irrwitzige Olympia-Propagandashow der Nationalsozialisten mit einer perfiden Attacke auf den Zeppelin LZ 129 Hindenburg zu verknüpfen – jenem Luftschiff, das am 6. Mai 1939 bei der Landung in Lakehurst, New Jersey, in Flammen aufging?
Schon in meiner Studienzeit habe ich mich damit befasst, wie Propaganda eingesetzt wurde, um politische Strukturen auszubilden und zu festigen; eine Thematik, die in der jüngeren Vergangenheit leider wieder aktuell geworden ist. Bei einer Recherche dazu bin ich auf Fotos gestoßen, die die Hindenburg zur Eröffnung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin zeigten – direkt über dem Stadion. Was, wenn der Zeppelin schon zu diesem Zeitpunkt explodiert und abgestürzt wäre? Und wenn es kein Unfall, sondern ein Anschlag gewesen wäre? Dieses Szenario habe ich einige Zeit hin und her überlegt, bis mir schließlich die Idee für das wirklich unfassbare Komplott und dessen Hintergründe kamen.
In Ihrem Roman taucht reichlich historisches Personal auf: der schwarze US-Sprintstar Jesse Owens, IOC-Mitglied Karl Ritter von Halt, die NS-Filmemacherin Leni Riefenstahl, Joseph Goebbels, Adolf Hitler. Wie schwierig ist es, einen glaubhaften, authentischen «Ton» bzw. «Sound» für eine Figur wie z. B. Reichspropagandaminister Goebbels zu finden?
Die führenden Nationalsozialisten waren natürlich eine Herausforderung, obwohl von ihnen Ton- und Filmaufnahmen überliefert sind, an denen man sich orientieren kann. Hitler und Goebbels haben im Roman nur wenige Auftritte, meist in extrem unangenehmen Szenen, die mich beim Schreiben einiges an Kraft gekostet haben. Einfacher fiel es mir beim Luftschiffpionier Hugo Eckener oder bei der Regisseurin Leni Riefenstahl, wobei man gerade bei ihr aufpassen muss, weil sich ihre Memoiren nicht unbedingt mit den Ergebnissen historischer Forschung decken. Aber in einem Roman kann es sich auch bei historischen Personen ohnehin stets nur um Annäherungen handeln.
Hat die Gruppe um die Geschwister Hans und Sophie Scholl in gewisser Weise Pate gestanden für die Aktionsgruppe Phoenix im Roman, die mit künstlerischen Mitteln Faschismus und Kriegsgefahr bekämpfen will?
Natürlich denkt man bei einer studentischen Widerstandsgruppe unweigerlich an die Weiße Rose. Aber es gab auch viele andere Gruppierungen, die sich gegen das Regime gestellt haben. Hans und Sophie Scholl sind wahrscheinlich die bekanntesten Gesichter des studentischen Widerstands, waren aber keine Vorlage für Anna und ihre Freunde. Die von mir frei erfundene Aktionsgruppe Phoenix agiert ursprünglich aus einem fast naiven Impuls heraus und begreift erst nach und nach, welche Konsequenzen sich aus ihrem Tun, dem Drucken und Aufhängen von regimekritischen Plakaten, ergeben können. Erst als sie den einen Schritt zu weit gegangen sind, stellen die Studenten fest, dass es kein Zurück mehr gibt.
Untergründig schwingt in Ihrem Buch immer auch die Frage mit, wie man in menschenverachtenden Zeiten als Individuum Anstand, Haltung und Menschlichkeit bewahrt – schließlich ist keiner von uns als Held geboren. Wie wichtig war es, die drei «positiven Protagonisten» des Romans – Anna Kollman, Hermann Schmidt, Georg Finkbeiner – in ihrer ganzen Ambivalenz zu zeigen?
Bei aller spannenden Romanhandlung war genau das ein zentraler Punkt für mich bei der Arbeit an «Aktion Phoenix». Um dem eigenen moralischen Kompass zu folgen, muss man das Steuerrad einschlagen, bevor die gefährliche Strömung einen nicht mehr freigibt. Das galt damals und ist heute nicht anders.
Ich habe mir drei sehr unterschiedliche Protagonisten ausgewählt, um das von verschiedenen Seiten betrachten zu können: Hermann Schmidt vom Propagandaministerium, der sich mit der Nazi-Regierung abgefunden hat und davon profitiert, obwohl er sich mit der Ideologie nicht identifizieren kann; Anna Kollmann, die das System verabscheut und aktiv bekämpft, auch wenn ihr Antrieb ursprünglich wohl eher in der Verliebtheit zum Anführer der Aktionsgruppe Phoenix zu finden war; und Georg Finkbeiner, der sich in einer Lebensphase befindet, in der seine Hochzeitspläne und der Traumberuf wichtiger sind als jede Politik. Wie bedeutsam seine Arbeit als Steward der Hindenburg über seine kleine private Welt hinaus werden kann, findet er erst später heraus. Ob sich einer der drei wirklich als Held im klassischen Sinne anbietet, muss jede Leserin und jeder Leser selbst herausfinden.
Von Menschen, die sich bereits einen Rundflug mit einem der modernen Zeppeline gegönnt haben, hört man, es sei die mit Abstand schönste Art des Fliegens. Die Zeppelin-Faszination scheint auch Sie gepackt zu haben. Sind Sie eigentlich selbst schon mal in einem Luftschiff mitgeflogen?
Ja! Und ich bin begeistert davon, auch wenn es mit dem damaligen Reisen nicht vergleichbar ist. Die Hindenburg war Luxus pur in modernem Bauhaus-Ambiente: frisch gekochte Spitzenmenüs samt passenden Top-Weinen für bis zu 70 zahlende Fahrgäste, musikalische Unterhaltung am Flügel, spritzige Cocktails in der eigenen Bar und Stewards, die einem jeden Wunsch von den Augen ablasen. Mit zwei bis drei Tagen Reisezeit nach New York war der Zeppelin deutlich schneller als jeder Liniendampfer – ein unbezahlbarer Vorteil in Zeiten einer sich immer schneller drehenden Weltwirtschaft.
Die heutigen Zeppeline sind weitaus kleiner und einfacher. Ich habe mit fünfzehn anderen Passagieren an einem Rundflug über den Bodensee teilgenommen. Die Fahrt wurde vorher zweimal wegen zu starken Windes abgesagt, aber diesmal herrschten perfekte Bedingungen. Ob Start, Flug oder Landung, alles war vollkommen ruhig und angenehm. Und die Aussicht war atemberaubend.
Christian Herzog, Aktion Phoenix, Erstverkaufstag: 14.11.2023 Roman, Originalausgabe, 512 Seiten, 25,00 € (D) / 25,70 € (A), ISBN: 978-3-8052-0106-3